Das eine große, pulsierende Herz der Menschheit

In dem Bestreben, „jemand“ zu sein in dieser Welt, bewege ich mich automatisch aus meinem Herzen heraus und alle damit verbundenen Handlungen führen nicht zu der ersehnten Erfüllung des Herzens.

Die Erfüllung, die meine Seele ersehnt, kann sich nicht in den Strukturen dieser Welt vollziehen, die die Identität des Einzelnen hervorhebt und in der auch ich versuche „mich“ zu finden. Mich zu erdenken. Mich zu gestalten. Mich hervorzuheben. Mich abzugrenzen.

Wahrhaft genährt und erfülllt fühlt sich mein Herz dann, wenn es geöffnet wurde und ich mich selbst – eine Identität, ein „ich bin ich und ich bin anders als du“ losgelassen habe und aufgehe in dem Feld der Liebe einer Gruppe. Doch nicht in irgendeiner Gruppe, sondern in einer solchen Gruppe, in der sich eine Herzöffnung vollzogen hat. Dadurch, dass man zum Beispiel vier Tage zusammen getanzt oder Mantren gesungen hat. Oder eine andere magische Zeit verbracht hat. Wenn wir mit mehreren Menschen in einer Absicht des wertfreien Raumes und heiligen Praktiken wie Tanz, Singen oder Körperarbeit zusammenkommen, dann ist es möglich das Christusbewusstsein (schon) jetzt und hier zu erfahren auf der Erde. Im Bewusstsein von Einheit stirbt das „Ich“ und Identität zwangsläufig. Dann wird wirklich erfahrbar: Alles, was ich über dich denke ist das, was ich über mich denke und in Wahrheit geht es nicht um Identitäten und das Aufrechterhalten dieser, sondern um das Lernen von bedingungsloser Liebe und zu sehen, was passiert, wenn Mensch damit in Berührung kommt und von innen genährt wird. Denn „alles ist Liebe oder der Schrei nach ihr“, auch wenn das in diesem riesigen Wust aus Masken-Schein und Anonymität oft kaum zu glauben ist.

An manchen Tagen fällt es mir schwer, an all das zu glauben. An die eine Liebe. Wenn ich diese magischen Erfahrungen nicht gemacht hätte, hätte ich die Hoffnung wahrscheinlich schon aufgegeben. Aber es gibt sie. Und ich weiß, dass mein Herz noch heilen und dass ich an seine stetige Öffnung glauben darf. Egal wie verletzt ein Herz sein mag, es ist von großer Wichtigkeit, eines Tages die Ketten zu sprengen, denn sonst verbittert das Herz und verbittert der Mensch und es entweicht das Licht und die Hoffnung, Stück für Stück.

Manchmal, an magischen Tagen, sind da auch Momente von Christusbewusstsein, die der Alltag birgt. Wie an diesem Tag:

„Es ist dieses eine Menschsein-Gefühl, das da ist, wenn ich wie gestern beim Falafelmann sitze und meine größte Ur-Angst spüre, schon seit einigen Tagen ist sie sehr präsent in mir. Ich sitze da und bleibe trotzdem, lenke mich nicht ab und die Tränen fließen, während der Trubel der Limmerstraße unentwegt weiterströmt. Da ist der liebe Mann, der dort arbeitet, der mir zu erzählen beginnt, dass er erst vor vier Monaten hergezogen ist und vorher 25 Jahre in Schweden lebte, gebürtig aber von ganz anderswo stammt. Er spricht sehr gutes Deutsch. Es sind 31 Grad an diesem Tag, er ist Fremder in einem fremden Land, er bereitet Döner und Falafeltaschen im Akkord zu – und er strahlt. Er ist nicht fremd. Er scheint einer der Menschen zu sein, die überall zu Hause sind. Er lacht. Ist herzlich. Er strahlt Leben und Dankbarkeit aus. “ (Tagebuch)

Ich verneige mich vor diesem und so vielen Menschen, die Herzlichkeit versprühen, no matter what. Die mit dem einfachsten Leben Glück ausstrahlen. Wir unterhielten uns ein wenig und ich fühlte mich geborgen. Geliebt. Kleine, erdige zwischenmenschliche Begegnungen auf Herzensebene im Alltag sind selten, doch schon immer das, was mich am meisten berührt und belebt und den Funken in mir wieder entfacht. Es sind die Momente, die mein Herz wirklich öffnen und sehr, sehr weit machen.

Von Mensch zu Mensch.

Von meinem Herz in dein Herz. Das am Ende das eine Herz ist, das eine große und pulsierende Menschenherz.

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